Recovered Carbon Black macht Reifen grüner

von Frank Verreck
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Recovered Carbon Black macht Reifen grüner

Der globale Nachhaltigkeitstrend sorgt immer deutlicher dafür, dass ein Umdenken in der Gesellschaft und der Politik stattfindet. Die Notwendigkeit, die Dekarbonisierung weltweit voranzutreiben und zu beschleunigen, ist erkannt und führt zu einem wachsenden Druck auf alle Industriesektoren.

Insbesondere der Mobilitätssektor und dort vor allem die Automobilindustrie stehen im Fokus. Nicht nur bei der Konstruktion, Produktion und dem Treibstoffverbrauch der Fahrzeuge lassen sich Dekarbonisierungspotenziale nutzen. Auch bei den zugelieferten Komponenten, die in der Automobilproduktion zum Einsatz kommen, können Ressourcen und Emissionen eingespart werden. So steht zum Beispiel die Reifenindustrie vor einer großen Herausforderung, einen Beitrag zur Dekarbonisierung zu leisten. Bei der Produktion eines neuen Reifens werden ca. 10kg CO2-Emissionen ausgestoßen, weshalb die Bestrebungen, sich zu einer grüneren Industrie zu entwickeln, besonders groß sind. Zu den jährlich 1,8 Mrd. anfallenden Altreifen (End of Life Tires, ELTs) liegen weltweit noch etwa 4 Mrd. recyclingfähige ELTs auf sogenannten Reifenfriedhöfen.

Die Wiederverwertung der ELTs in der Reifenproduktion zur Reduktion des Gesamtausstoßes an CO2 ist somit ein bedeutsames Ziel. Gleichzeitig müssen Produkte, die aus Materialien von ELTs hergestellt werden, im praktischen Einsatz hohe anwendungsspezifische Anforderungen an Ihre Leistungsfähigkeit erfüllen.

Industrieruß als Träger von CO2-Sparpotenzial

Ein elementares Rohmaterial für die Gummimischung in der Reifenherstellung ist Industrieruß (Carbon Black). Seine Produktion ist ein hoch energieintensives Verfahren: Für die Herstellung einer Tonne Carbon Black in Reinform (sog. “virgin Carbon Black”, vCB) werden 1,8 t fossiler Energieträger benötigt und dabei zwei Tonnen CO2 ausgestoßen. Im Endprodukt Reifen macht das Material schließlich 30% des Gesamtgewichts aus, was ca. 3kg bei einem herkömmlichen PKW-Reifen entspricht:

Der Ersatz von Teilen des vCBs durch wiedergewonnen Industrieruß verspricht eine deutliche CO2-Ersparnis im Reifenherstellungsprozess.

Die Bestrebungen der Industrie, Verfahren zur Hebung dieses signifikanten Potenzials zu entwickeln und dann zur industriellen Reife zu führen, sind entsprechend groß: Mit ersten Forschungsprojekten und Kooperationen versuchen einige Reifenhersteller bereits, dieses Ziel zu erreichen. Auch Recyclingunternehmen bauen einzelne Anlagen, um die Prozesse zu verbessern und spezialisierte Start-Ups beginnen damit, solche Anlagen für die industrielle Nutzung zu skalieren. Sowohl die EU, aber auch Automobilhersteller – BMW hat sich bis 2040 zum Ziel gesetzt, 100% nachhaltige Fahrzeuge auf den Markt zu bringen – rufen in diesem Zusammenhang erste Nachhaltigkeitsinitiativen ins Leben.

Pyrolyse zur Rückgewinnung von Carbon Black

Eine geeignete Methode für die Weiterverwertung von Altreifen stellt die Pyrolyse dar. Dabei werden die ELTs von verschiedenen Fahrzeugen, wie Fahrrädern, Motorrädern, Autos, Lastkraftwagen oder Off-the-Road-Tires (OTRs) von z.B. Bergbaufahrzeugen in einen Kreislauf zur Wiederverwendung eingebracht.

Zunächst werden die ELTs in kleinere Teile geschreddert. Dabei werden die Hauptbestandteile Stahl, Textil und Gummigranulat voneinander getrennt. Stahl wird anschließend in Stahlschmelzwerken, Textilfasern z.B. in schallabsorbierenden Materialien oder in Betonmischungen und das Gummigranulat im Pyrolysesystem wiederverwertet.

Weltweit werden bereits verschiedene Pyrolysesysteme und -typen eingesetzt, von denen jedes Verfahren Vor- und Nachteile sowie Auswirkung für die erzeugten Zwischenprodukte mit sich bringt. Um den gesteigerten Anforderungen an das Pyrolyseöl (TPO) und den Pyrolyseruß gerecht zu werden, mussten neue, leistungsfähigere Verfahren entwickelt werden. Es lassen sich Unterschiede bei der Verweildauer des Quellmaterials, der Reaktorkonstruktion des Pyrolysesystems, dem verwendeten Energieträger sowie der Temperatur erkennen und es kann sowohl zwischen Batch- und kontinuierlichem Betrieb als auch zwischen ein- oder mehrstufigen Systemen unterschieden werden. Die folgenden Zwischenprodukte werden erzeugt:

Das aus dem Pyrolyseprozess stammende Roh-rCB enthält neben Kohlenstoff auch andere Bestandteile wie Kieselsäure und Schwefel in verschiedenen Formen. Bevor das Roh-rCB als Ersatzstoff in Carbon-Black-verarbeitenden Prozessen verwendet werden kann, muss es entsprechend aufbereitet werden. Die Verarbeitung besteht aus den folgenden Schritten:

Zerkleinerung / Vermahlung

Der grobe Austrag aus dem Pyrolysesystem wird in Silos gelagert. Von diesen Silos, die die Systeme voneinander trennen, wird das Material zum Vorlagebehälter des Mahlsystems transportiert. Durch die Zerkleinerung des aus dem Pyrolysesystem kommenden Materials wird die Partikelgröße verringert, ungewünschte Nebenprodukte abgeschieden und die Materialeigenschaften verbessert. Wichtige Faktoren bei der Optimierung dieses Verarbeitungsschrittes sind u. a. die Partikelgrößenverteilung und der spezifische Energieverbrauch im Mahl- und Sichtprozess.

Das Prallsichtermühlen (ICX)-Mahlsystem von NEUMAN & ESSER kombiniert hohen Durchsatz und große Flexibilität mit Feinstvermahlung und geringstem spezifischen Energieverbrauch, weshalb es sich für diesen Prozessschritt besonders gut eignet. Die große Bandbreite möglicher Baugrößen des Systems passt sich ideal an die Leistung der verschiedenen Pyrolyseprozesse an. Dabei kann ein Anlagendesign realisiert werden, bei dem der Austrag mehrerer Pyrolysereaktoren eine Mahlanlage geleitet wird. Das im Mahlprozess gewonnene Material, das geforderten Gütekriterien nachfolgender Verarbeitungsschritten entspricht, wird anschließend in einem Vorratssilo gelagert, von dem es im folgenden Produktionsschritt in eine Pelletieranlage gefördert wird.

Pelletierung des gemahlenen Produktes

Das jetzt sehr feinkörnige rCB ist in der vorliegenden Form durch seine geringe Schüttdichte nur schwer transport- und verarbeitungsfähig und muss daher pelletiert werden. Dieser wichtige Prozessschritt ist ein entscheidender Teil der durch NEUMAN & ESSER entwickelten rCB-Gesamtlösung: Die Pelletierung selbst ist ein komplexer, eigenständiger Prozess der fünf Stationen beinhaltet:

Dosiersystem für gemahlenes rCB und Bindemittel

Zunächst müssen rCB und ein Bindemittel in einem festen Verhältnis dosiert werden. Dies ist die Grundlage für ein Granulat, das die vom Kunden gewünschten Anforderungen an dessen Endprodukt erfüllt. Die Auswahl des geeigneten Bindemittels erfordert in der Regel eine Reihe anspruchsvoller Tests.

Mischer zum Formen der Pellets

Anschließend werden rCB und Bindemittel gemischt, wobei unterschiedliche Mischtechniken zum Einsatz kommen können. Bei dem für die vorgeschlagene Lösung gewählten, kontinuierlichen Mischvorgang verbinden sich die Rohmaterialien in einem Stiftmischer zu Pellets. Von hoher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass das Endprodukt stabile Eigenschaften bezüglich gleichmäßiger Größe und Härte aufweist.

Trockner zum Trocknen der Pellets/Granulate

Auch in diesem Prozessschritt werden verschiedene Methoden eingesetzt. Grundsätzlich wird Feuchtigkeit bis zum gewünschten Trocknungsgrad der Pellets entfernt. Der häufigste Trocknertyp für diese Anwendung ist der Fließbetttrockner. Dabei wird Heißluft aus einem Heißgaserzeuger oder idealerweise überschüssige Prozesswärme in das Material eingetragen. Die trockenen und heißen Pellets werden im letzten Abschnitt des Fließbettes abgekühlt.

Sieb zur Entfernung von Über- und Unterkorn

Aus den abgekühlten Pellets wird das Überkorn (und bei Bedarf das Unterkorn) entfernt. Das fertige Produkt wird in Big Bags und/oder Silos gefördert. Überkorn und Unterkorn werden dem Mahlsystem wieder zugeführt und der Kreislauf damit geschlossen.

Big-Bag-Verpackungssystem oder Silolagerung für weitere Verladung

Das aus dem Sieb kommende Fertigprodukt kann direkt in Big Bags verpackt werden. Eine alternative Lösung ist die Lagerung in einem Silo, von dem aus Lastwagen oder Wagons direkt befüllt werden können. Mit verschiedenen Fördersystemen werden die erforderlichen Ausrüstungen miteinander verbunden. Art und Größe werden gemeinsam mit dem Kunden festgelegt und hängen von der gewünschten Kapazität und der Transportstrecke ab.

Die Lösung von NEUMAN & ESSER

Bisher kommen in der rCB-Herstellung meistens Strahlmühlen zum Einsatz, um die gewünschte Feinheit zu erreichen. Zur Formung der Pellets werden in der Regel Stiftmischer verwendet, für die Trocknung meist Trommeltrockner oder Fließbetttrockner. In der Vergangenheit wurden diese Komponenten stets als Einzelteile dem Kunden zur Verfügung gestellt.

Mit dem rCB-spezifischen ICX-System bietet NEUMAN & ESSER hingegen erstmalig eine integrierte Lösung zum Mahlen, Sichten und Pelletieren an – mit erheblichem Kundennutzen. Durch die vollständige Integration der vorgenannten Komponenten ist die perfekte Orchestrierung der Teilprozesse aus einer Hand erhältlich. So wird die bezüglich Energieeffizienz und Vermahlungsergebnis anderen Techniken ohnehin überlegene ICX-Prallsichtermühle in der Anlage um optimal abgestimmte Prozesse und Komponenten erweitert.

Damit erhalten Kunden eine Lösung, bei der von der Projektentwicklung über das Engineering bis zum Service der gesamten Anlage mit NEUMAN & ESSER ein Expertenteam mit umfangreichem Knowhow zur Seite steht.

Mit dem hauseigenen Test-Center wird zudem die Möglichkeit gegeben, die notwendigen Granulierversuche unter Praxisbedingungen durchzuführen. In diesen Versuchen und in Begleitung von Experten der Verfahrenstechnik kann der spätere Betreiber die Anlagenparameter des rCB-Aufbereitungsprozesses sowie die Wahl des geeigneten Bindemittels variieren, um die optimale rCB-Qualität für die finale Materialmischung zu bestimmen.

Am Ende der Feinabstimmung der einzelnen Anlagenkomponenten und der Optimierung der geplanten Prozessparameter wird eine Gesamtanlage realisiert, die ein hochqualitatives rCB liefert.  Den hohen Anforderungen der Reifenindustrie entsprechend, stellt es die besten Eigenschaften des Endproduktes sicher.

Mit der Entscheidung für NEUMAN & ESSER fällt die Entscheidung für das Gesamtpaket – von der Beratung über Engineering und Testung bis zum Anlagenbau mit anschließendem Service – mit dem performancestärksten Endprodukt.