Pulverlacke behalten ihr Umweltlabel durch Reduzierung des TiO2-Feinstaubgehalts

von Marc Giersemehl
Aktuelles & Medien >
Magazin >
Pulverlacke behalten ihr Umweltlabel durch Reduzierung des TiO2-Feinstaubgehalts

Im Oktober 2019 stufte die Europäische Kommission Titandioxid (TiO2) als eine Substanz ein, die im Verdacht steht, beim Einatmen krebserregend zu sein: TiO2 ist daher nun ein Karzinogen der Klasse 2. Damit wurde ab dem 1. Oktober 2021 rechtsverbindlich, pulverförmige Gemische, die mindestens 1 % TiO2-Partikel mit einer Partikelgröße ≤ 10 µm enthalten ("TiO2-Feinstaub"), mit einem Warnhinweis zu kennzeichnen, der den Anwender über die mögliche Bildung von lungengängigen Stäuben oder Tröpfchen informiert (EUH211 / EUH212). Damit befürchtete die Pulverlackbranche, ihr grünes Label für TiO2 zu verlieren. NEUMAN & ESSER hat eine Lösung entwickelt, die es ermöglicht, TiO2-haltige Pulverbeschichtungen ohne Warnhinweis zu verwenden.

Heutzutage wird Titandioxid mit Abstand am häufigsten als weißes Pigment in der Farbenindustrie verwendet. Für die Herstellung von weißen und hellen Pulverbeschichtungen gibt es für TiO2 derzeit keine technische Alternative. Nur 119 der 2.328 RAL-Farben werden ohne TiO2 hergestellt. Es ist daher zu befürchten, dass der Großteil dieser Formulierungen durch die neue EU-Verordnung ihr Umweltlabel verlieren. Dieses Label basiert auf den zahlreichen Vorteilen von Pulverlacken: Sie sind lösemittelfrei, ökologisch effizient, und ihre Feuer- und Explosionsgefahr ist deutlich geringer als bei lösemittelhaltigen Flüssiglacken. Neben dem Schaden für dieses grüne Image von Pulverlacken wird die neue Gesetzgebung auch zu steigenden Entsorgungskosten führen, da Pulverlacke nun als Sondermüll behandelt werden müssen.

Daher hat NEUMAN & ESSER eine Lösung entwickelt, die es ermöglicht, TiO2-haltige Pulverbeschichtungen ohne Warnhinweis zu verwenden. Realisiert wird dies durch ein Verfahren, das den Gehalt an Titandioxidpartikeln mit einer Partikelgröße ≤ 10 µm im Pulverlack auf Werte unter 1 % reduziert. Dieses neue Titandioxid-Reduzierungssystem heißt "NEATiReX". Das System NEATiReX kann sowohl inline in der Pulverlackmahlanlage als auch offline als separater Prozessschritt installiert werden.

Arbeitsweise des NEATiReX

Das System arbeitet wie folgt: Der gemahlene Pulverlack wird dem NEATiReX über eine Zellenradschleuse zugeführt und innerhalb der Anlage pneumatisch transportiert. Die Temperatur der Ansaugluft kann durch einen Luftkühler auf bis zu 2°C reduziert werden, um die Wirksamkeit des Reduzierungsprozesses zu steuern. Beim NEATiReX reduziert ein speziell entwickeltes Verfahren den Gehalt an TiO2-Feinstaub im Pulverlack. Der TiO2-Feinstaub und der fertige Pulverlack werden anschließend separat ausgetragen. Die für den Transport benötigte Luft verlässt das System über einen Filter, um einen umweltfreundlichen Betrieb zu gewährleisten. Es besteht auch die Möglichkeit, die abgeführte Luft wieder in das System zurückzuführen, um den Wirkungsgrad zu erhöhen. Die im Pulverlack benötigten Post-Blend-Additive werden nach Abschluss der TiO2-Reduktion zugegeben. Zur Zuführung dieser Additive wird das NEUMAN & ESSER Additiv-Dosier- und Dispergiersystem NEAddiX eingesetzt. Abschließend wird der TiO2-Feinstaub mit dem NEACompaX verdichtet. Die Abmessungen des gesamten NEATiReX-Systems betragen 3 m x 3 m x 5 m.

Der Einfluss von Staubbelastung und Prozesstemperaturen

Das Mittel der Wahl für den Designprozess war die detaillierte Analyse der Strömungsvorgänge im NEATiReX unter Verwendung von numerischen Simulationen (Computational Fluid Dynamics, CFD). Ein erstes Designkonzept diente als Eingabegeometrie, die so gezielt auf Verbesserungsmöglichkeiten analysiert und verbessert werden konnte, wobei der Schwerpunkt auf Strömungsführung und Energieeffizienz lag. Das endgültige System wurde ausgiebig mit zwei verschiedenen Formulierungen (A & B) von gemahlenen weißen Pulverbeschichtungen mit einem TiO2-Gehalt von ca. 40 % getestet.

Gegenstand der Tests war der Einfluss sowohl der Staubbelastung als auch der Prozesstemperatur auf den Reduzierungsprozess. Die Staubbelastung variierte zwischen 155 g/m³ und 1009 g/m³, und es wurden zwei Prozesstemperaturen von 5 °C und 35 °C für die Versuche gewählt. Ziel der Versuche war es, einen TiO2-Feinstaubgehalt von weniger als 1 % im Endprodukt zu erreichen. Die Ergebnisse sind in der folgenden Abbildung dargestellt: Je höher die Staubbelastung des Produktstroms, desto geringer der TiO2-Feinstaubgehalt im Endprodukt der Pulverbeschichtung. Bei einer Prozesstemperatur von 35 °C kann der TiO2-Feinstaubgehalt nicht unter 1 % gehalten werden. Bei einer Prozesstemperatur von 5 °C hingegen liegt der TiO2-Feinstaubgehalt beider Produkte bei Staubbeladungen zwischen 329 g/m³ und 1009 g/m³ unter dem gewünschten Wert von 1 %.

Fazit

Der effizienteste Betriebsbereich liegt demnach bei einer Prozesstemperatur von 5°C mit Staubbeladungen zwischen 840 g/m³ und 1050 g/m³. In diesem Staubbeladungsbereich liegt der spezifische Energieverbrauch zwischen 2 und 9 kWh/t. Der spezifische Energieverbrauch von Produkt B ist doppelt so groß wie der des groben Produkts A. Dies deutet auf die höhere Effizienz des Reduzierungsprozess bei gröberen Produkten hin.