Herausforderungen und Potenziale bei der Integration der Offshore-Windenergie und Wasserstoffproduktion

von Dr. Hao Ngo
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Herausforderungen und Potentiale bei der Integration der Offshore-Windenergie und Wasserstoffproduktion

Im letzten Jahrzehnt haben die Wasserstofftechnologie und die Offshore-Windenergie einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt. Durch die Integration dieser beiden Technologien können Fortschritte im Energieversorgungssystem und weitere Potentiale zur Dekarbonisierung entfaltet werden.

Lange Zeit wurde die Verwendung von Wasserstoff - entweder als direkter Brennstoff oder in einer Brennstoffzelle - als Alternative zu fossilen Brennstoffen angepriesen. Mittlerweile hat der Wasserstoff den Durchbruch auch in der Praxis geschafft und sich als Kernelement der Energiewende durchgesetzt. Seine Wichtigkeit beruht auf drei Eigenschaften [12]:

Grüner Wasserstoff wird eine zentrale Rolle bei der Erreichung der globalen Klimaziele spielen, weshalb große Mengen benötigt werden. Nach der Kalkulationsbasis des Net Zero Emission Scenarios werden 2050 ca. 500 Mt Wasserstoff pro Jahr benötigt, die aktuelle Produktionsmenge pro Jahr beträgt ca. 100 Mt [5]. Zukünftig soll der größte Teil des Wasserstoffs durch die Elektrolyse produziert werden. Der dafür notwendige Strom könnte durch die Offshore-Windenergie bereitgestellt werden.

Viele Länder erkennen die Offshore-Windenergie als ein Kernelement ihrer Dekarbonisierungsstrategie an. Mit Blick auf das Ziel der Klimaneutralität hat die Europäische Kommission entschieden, bis 2050 eine Offshore-Windleistung von 300 GW in Europa zu installieren. [9] In China ist die Offshore-Windenergie ein Kernthema im 14. Fünfjahresplan, der im Zeitraum von 2021 bis 2025 gilt. Viele Provinzen haben hierzu quantitative Ziele veröffentlicht. Beispielsweise strebt die Provinz Guangdong einen Ausbau der Offshore-Windleistung auf 18 GW bis 2025 an [10].

Für eine erfolgreiche Integration von Wasserstofftechnologie und Offshore-Windenergie sind Innovationen u.a. in den folgenden Bereichen notwendig:

  1. Entwicklung der Floating Offshore-Windenergie
  2. Entwicklung der Offshore-Elektrolyse
  3. Kostensenkung
Bild 1: Zusammenhang zwischen Windgeschwindigkeit und erzeugbarer Leistung einer 6-MW-Windturbine [13]

Entwicklung der Floating Offshore-Windenergie

Nur 5% des weltweit erzeugten Stroms wird durch Windkraft erzeugt, wobei die meisten Installationen sich auf dem Land befinden. Höhere und konstantere Windgeschwindigkeiten sind auf dem Meer anzutreffen. Somit können offshore installierte Windturbinen theoretisch mehr Energie erzeugen. Das untere Diagramm zeigt den Zusammenhang zwischen den Windgeschwindigkeiten und dem erzeugbaren Strom am Beispiel einer 6-MW-Windturbine. Ab einer Windgeschwindigkeit von ca. 11 m/s, was Windstärke 6 entspricht und als „starker Wind“ bezeichnet wird, erreicht die Turbine ihre Nennleistung. Dieser Bereich wird durch Offshore-Windturbinen regelmäßiger erreicht. In der Nordsee können jährlich etwa 4.000 Volllaststunden erreicht werden, an besten Offshore-Standorten liegt dieser Wert bei über 6000 Stunden. Als Faustregel kann man sagen, je weiter der Windparkstandort vor der Küste liegt, desto mehr Stunden sind möglich.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Installation von Offshore-Windturbinen. Bei einer Meerestiefe von bis zu 60 m, wird die Windkraftanlage mit fester Substruktur am Meeresboden fixiert. Jedoch weisen ca. 80 % der Offshore-Windressourcen eine Wassertiefe größer als 60 m auf [2]. In diesem Bereich werden aus wirtschaftlichen Gründen schwimmende Lösungen gewählt (engl. floating solutions). Beispielsweise können Windkraftanlagen mit der „Tension Leg Platform“ bis zu einer Meerestiefe von 2.000 m installiert werden [3].

Pilotprojekte zur Floating Offshore-Windenergie werden vermehrt gestartet. So haben beispielsweise RWE und Saitec Offshore Technologies im Februar 2020 die gemeinsame Realisierung einer Floating Offshore-Windkraftanlage bekannt gegeben. [7] In dem Pilotprojekt „DemoSATH“ soll eine Floating Offshore-Windturbine mit einer Nennleistung von 2 MW rund 3 km vor der baskischen Küste in Spanien bei einer Wassertiefe von 85 m installiert werden. Der Beginn des Projektes ist für Q3/2022 terminiert. [8]

Bild 2: Lösungsansätze für die Installation von Floating Offshore-Windrädern [14]

Entwicklung der Offshore-Elektrolyse

In der Praxis werden drei Konzepte zur Kombination der Offshore-Windenergie mit einer Wasserstoffproduktion diskutiert.

Zentralisierte Onshore-Elektrolyse durch Offshore-Windenergie:

Bei diesem Konzept wird der Strom der Offshore-Windturbinen über Kabel zu einem Elektrolyseur transportiert, der sich an Land befindet. Das Wasser für die Elektrolyse könnte durch einen lokalen Versorger bereitgestellt werden. Befinden sich die Offshore-Windturbinen weit außerhalb der Küste, kann dieses Konzept unprofitabel sein, da die Energieverluste im HVDC-Kabel und auch seine Kosten mit der Entfernung ansteigen.

Bild 3: Prinzipskizze einer zentralisierten Onshore-Elektrolyse [15]

Zentralisierte Offshore-Elektrolyse durch Offshore-Windenergie:

Bei diesem Konzept wird der Elektrolyseur offshore aufgestellt, z.B. auf einem Schiff, und ist über Stromkabel mit den Offshore-Windturbinen verbunden. Der produzierte Wasserstoff wird mit Kompressoren verdichtet und anschließend über Rohrleitungen ans Land befördert. Die Rohrleitungen sind bei großen Entfernungen kostengünstiger als Stromkabel und weisen eine Lebensdauer zwischen 40 und 80 Jahren auf [4].

Bild 4: Prinzipskizze einer zentralisierten Offshore-Elektrolyse [16]

Dezentralisierte Offshore-Elektrolyse durch Offshore-Windenergie:

Die Offshore-Windturbinen sind jeweils mit einem Elektrolyseur verbunden. Der erzeugte Strom wird direkt genutzt, um dezentral Wasserstoff zu produzieren, der anschließend durch Kompressoren verdichtet und über Rohrleitungen ans Land befördert wird. Hauptvorteil dieses Konzeptes ist die durch Dezentralität induzierte Resilienz, d.h. bei Ausfall eines Elektrolyseurs kann trotzdem mit den restlichen Elektrolyseuren weiter Wasserstoff produziert werden.

Bild 5: Prinzipskizze einer dezentralisierten Offshore-Elektrolyse durch Offshore-Windenergie [17]

Ein Hauptunterscheidungsmerkmal der Konzepte ist der Energievektor: Während bei der zentralisierten Onshore-Elektrolyse Stromkabel eingesetzt werden, um die Offshore-Windenergie ans Land zu transportieren, wird bei den Konzepten der Offshore-Elektrolyse Wasserstoff als Energieträger (33kWh/kg) eingesetzt und durch Rohrleitungen ans Land befördert. Über große Entfernungen und bei hohen Massenströmen ist der Wasserstoff die attraktivere Alternative zum Transport der Energie. [18]

Rohrleitungen zum Transport von Wasserstoff sind bereits im praktischen Einsatz. Beispielsweise befinden sich in den USA 2575 km lange Rohrleitungen für den Wasserstofftransport. Deutschland besitzt ca. 400 km lange Rohrleitungen [4]. Zur Erzeugung des notwendigen Drucks in den Rohrleitungen werden aufgrund der sehr geringen molekularen Masse des Wasserstoffs Kolbenverdichter eingesetzt.

Die Offshore-Applikation stellt spezifische Anforderungen an den Kolbenverdichter. Beispielsweise muss der Kolbenverdichter aufgrund der feuchten und salzigen Bedingungen resistent gegenüber Rostbildung gestaltet sein. Des Weiteren sind auch Wellenbewegungen zu berücksichtigen, die Auswirkungen auf die Kolben- und Kolbenstangendichtungen haben könnten.

Exkurs: Kolbenverdichter auf hoher See

Der Betrieb von Kolbenverdichtern auf hoher See ist herausfordernd, aber technisch möglich, was NEUMAN & ESSER u.a. im Jahr 2011 durch die Realisierung eines Seal Gas-Verdichters auf einer FLNG-Anlage vor Nordwest-Australien bereits demonstriert hat. Zur Verarbeitung des Erdgases werden dort Turboverdichter eingesetzt. Ein Nachteil dieses Verdichter-Typs ist der Druckabfall bei Stillstand. Der trockenlaufende, vertikale Kolbenverdichter TDS 30 von NEUMAN & ESSER fungiert als Sicherheitssystem und hält den Druck der Turboverdichter aufrecht, sobald diese nicht fördern.

Kostensenkung

Offshore-Windenergie bietet großes Potential für die Herstellung von grünem Wasserstoff. Auch die schwimmenden Ansätze sind vielversprechend zur Erschließung konstanterer und höherer Windgeschwindigkeiten. Doch für einen flächendeckenden Ausbau der Offshore-Windenergie müssen die Kosten weiter sinken. Hierzu existieren verschiedene Lösungsansätze: Neben der Senkung der Stückkosten durch Produktstandardisierung ist das Integrierte Design ein weiterer Lösungsansatz. In Kooperationen mit anderen Unternehmen entwickelt NEUMAN & ESSER bereits Konzepte für die integrierte Auslegung einer „Floating Offshore Windenergy-Based Hydrogen Production“. Hierbei werden die Windturbinen, der Elektrolyseur, die Kolbenverdichter sowie die Strom- und Strömungen in den Rohrleitungen in Modellen analysiert und optimiert, sodass das globale Optimum über den Lebenszyklus erreicht wird. Dadurch können Levelized Cost of Energy (LCOE) reduziert werden.

Studien zufolge wird der Markt für schwimmende Lösungen größer sein als der mit fest fixierter Substruktur. Zurzeit betragen die LCOE für die schwimmenden Lösungen 175 €/MWh und für die Lösungen mit fixierter Substruktur 90 €/MWh [1]. Erwartet wird eine Konvergenz beider Lösungen bis 2050 gegen 35 €/MWh [1].

Bild 7: Länderstatistik zur Offshore-Windenergie [19]

Entwicklungsprädiktion der Offshore-Windenergie und Fazit

Industrienationen in Europa, wie Großbritannien und Deutschland, waren lange Zeit führend in der Offshore-Windenergie. Jüngst haben die Länder in Asien-Pazifik stark aufgeholt, vor allem China und Vietnam. 2021 war China für 80% der Offshore-Neuinstallationen verantwortlich und besitzt nun 48% der global installierten Offshore-Windenergie.

Basierend auf Studien wird die global installierte Offshore-Windkapazität bis 2050 voraussichtlich 630 GW erreichen, gegenüber 55 GW im Jahr 2021, mit einem Aufwärtspotenzial von 1.000 GW in einem 1,5°-Szenario. [6], [11]

In Zukunft werden vor den Küsten Asiens, Europas, Nordamerikas und anderer Regionen tausende Offshore-Windräder drehen und Energie erzeugen. Diese Energie wird genutzt, um grünen Wasserstoff zu erzeugen, der für die Flexibilisierung des Energiesystems und effektive Dekarbonisierung der Industrie essenziell ist.

Quellen

[1] Offshore Renewable Energy (ORE) Catapult. Offshore Wind and Hydrogen: Solving the Integration Challenge. 2020. Available online: ore.catapult.org.uk (zugegriffen am 7. April 2021)

[2] Calado, Goncalo; Castro, Rui (2021): Hydrogen Production from Offshore Wind Parks: Current Situation and Future Perspectives. Applied sciences, Basel

[3] Roland Berger GmbH (2021): Innovate and industrialize | How Europe’s offshore wind sector can maintain market leadership and meet the continent’s energy goals. München 

[4] Ibrahim, Omar S. (2022): Dedicated large-scale floating offshore wind to hydrogen: Assessing design variables in proposed typologies. Elsevier

[5] www.iea.org/reports/the-future-of-hydrogen (zugegriffen am 15. Mai 2021)

[6] Kühn, Florian; Liebach, Friederike; Matthey, Tim; Schlosser, Andreas; Zivansky, Jakub (2022): How to succeed in the expanding global offshore wind market. McKinsey & Company

[7] www.solarify.eu/2021/02/10/438-floating-offshore-projekt-vor-spanischer-kueste-nimmt-fahrt-auf/ (zugegriffen am 15. Mai 2021)

[8] www.rwe.com/forschung-und-entwicklung/windkraft/floating-offshore-wind/demosath (zugegriffen am 15. Mai 2021)

[9] ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_20_2096 (zugegriffen am 15. Mai 2021)

[10] 14. Fünf-Jahres-Plan Chinas auf Provinzebene

[11] www.statista.com/topics/2764/offshore-wind-energy/ (zugegriffen 15. Mai 2021)

[12] Roland Berger GmbH (2021): Innovate and industrialize | How Europe’s offshore wind sector can maintain market leadership and meet the continent’s energy goals. München

[13] Presentation from NREL: www.youtube.com/watch (zugegriffen am 15. Mai 2021)

[14] Angelehnt an: Ibrahim, Omar S. (2022): Dedicated large-scale floating offshore wind to hydrogen: Assessing design variables in proposed typologies. Elsevier

[15] Angelehnt an: Ibrahim, Omar S. (2022): Dedicated large-scale floating offshore wind to hydrogen: Assessing design variables in proposed typologies. Elsevier

[16] Angelehnt an: Ibrahim, Omar S. (2022): Dedicated large-scale floating offshore wind to hydrogen: Assessing design variables in proposed typologies. Elsevier

[17] Angelehnt an: Ibrahim, Omar S. (2022): Dedicated large-scale floating offshore wind to hydrogen: Assessing design variables in proposed typologies. Elsevier

[18] Roland Berger GmbH (2021): Innovate and industrialize | How Europe’s offshore wind sector can maintain market leadership and meet the continent’s energy goals. München

[19] GWEC, Global Wind Report 2022